Problemstellung
Durch unseren heutigen,
komfortablen Lebensstandard sind wir es gewohnt, dass durch das Betätigen
des Lichtschalters der Raum mit Licht erhellt wird, elektronische Geräte
für uns arbeiten und wir mit dem Auto schnell und bequem von einem
Ort zum anderen gelangen. Die Nutzung von elektronischen Geräten,
Lampen, Maschinen, Fahrzeugen usw. erleichtert unser tägliches Leben
und ist mittlerweile für jeden Einzelnen von uns selbstverständlich
geworden, da sie fast überall und zu jeder Zeit verfügbar sind.
Selten wird hinterfragt, woher diese Energie stammt und wie sie erzeugt
wird. In Deutschland wird die Energie, die wir täglich verbrauchen,
aus verschiedenen Quellen gewonnen: Mineralöl, Erdgas, Kernenergie,
erneuerbare Energien, aber auch Stein- und Braunkohle .
Der tägliche
Energiebedarf wird überwiegend aus Rohstoffen, wie Erdöl, Gas
und Kohle sowie aus Kernenergie oder auch aus erneuerbaren Energien gedeckt
. In den letzten Jahren sind die Rohstoffpreise erheblich gestiegen. Der
Index der Weltmarktpreise für Rohstoffe des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs
(HWWA) ist eine Messgröße für die Entwicklung der Rohstoffpreise
(z.B. für Agrarprodukte, Metalle, Holz, Öl und Kohle) . Dieser
Index (siehe Abbildung 1.1) verzeichnete auf US-Dollar-Basis im Jahr 2002
eine Preissteigerung von 30,62 %, im darauf folgenden Jahr 13,97 % und
im Jahr 2004 24,42 % . Über den gesamten Zeitraum von drei Jahren
ergibt dies eine Rohstoffpreissteigerung von 85,22 %.
Auch die Preise für
Kohle haben in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg verzeichnet,
teilweise sogar stärker als der HWWA-Rohstoffpreisindex. Der Kohlepreis,
der in die Berechnung des HWWA-Rohstoffpreisindex einfließt, ist
zwar im Jahr 2002 um 9,73 % gesunken, stieg aber im Jahr 2003 um 40,00
% und im Jahr 2004 (nur bis Okt. 2004) um 44,57 % an . Über diesen
gesamten Zeitraum ist der Kohlepreis um 82,70 % gestiegen.
Um sich gegen Preisschwankungen
und -steigerungen von Rohstoffen abzusichern, gibt es verschiedene Möglichkeiten,
wie z.B. die Nutzung von Finanzinstrumenten. Für den Handel von Finanzinstrumenten
hat sich ein Finanzmarkt herausgebildet, auf dem diese Instrumente angeboten
und nachgefragt werden.

Abbildung 1.1: HWWA-Rohstoffpreisindex
Unter einem Finanzmarkt
wird ein ökonomischer Ort verstanden, an dem Marktteilnehmer Wertpapiere,
Geld, Devisen und Derivate handeln . Als ökonomischer Ort werden
Börsenplätze wie z.B. die Börse in Frankfurt oder die New
York Stock Exchange verstanden. Aber auch computergestützte Handelssysteme
sind ein Börsenplatz und werden als ökonomischer Ort angesehen
. Aufgabe eines Finanzmarktes ist es, Anbieter und Nachfrager von Wertpapieren,
Geld, Devisen und Derivaten zusammenzuführen und die Bildung fairer
Preise zu gewährleisten . Ein Finanzmarkt unterteilt sich in vier
Teilmärkte: Aktienmarkt, Anleihemarkt, Geldmarkt und Derivatemarkt
. Derivate sind Finanzinstrumente, deren Wert von der Preisentwicklung
eines oder mehrerer zugrunde liegender Basiswerte abhängt (mehr dazu
im Abschnitt 8.1, Seite 69 ff.). Finanzmärkte sind eng mit dem Basiswert
verbunden. Die Begriffe Finanzmarkt und Derivatemarkt werden in dieser
Arbeit gleichwertig verwendet.
Für die Rohstoffe
Öl und Gas haben sich bereits Finanzmärkte herausgebildet. Der
Finanzmarkt für Öl entstand in den 70er Jahren und in den 90er
Jahren bildete sich ein Handel mit Finanzinstrumenten auf Gas und Strom
. Als letzter entstand auch ein Finanzmarkt für Kohle, als im April
1998 die ersten Finanzinstrumente auf Kohle gehandelt wurden. Der finanzielle
Kohlehandel ist damit ein junger Markt.
Die starken Preissteigerungen
der Rohstoffe und insbesondere der Kohle in den letzten Jahren lässt
Unternehmer nach Lösungsmöglichkeiten suchen, mit Preisschwankungen
und -steigerungen umzugehen. Sie stoßen auf die Möglichkeit
Derivate zu nutzen. Da diese Möglichkeit für die Rohstoffe Öl
und Gas schon länger besteht, kann die Frage gestellt werden, warum
der Derivatemarkt für Kohle erst in den letzten Jahren entstanden
ist und welche Entwicklungsmöglichkeiten für den finanziellen
Kohlemarkt bestehen.
Ziel
Das Ziel dieser Arbeit
ist, die Hemmnisse und Entwicklungsmöglichkeiten eines Finanzmarktes
für Kohle herauszuarbeiten. Im Vordergrund stehen dabei Hemmnisse,
welche die späte Entstehung eines finanziellen Kohlehandels begründen
oder welche eventuell heute noch bestehen. Aber auch die Weiterentwicklungsmöglichkeiten
des Finanzmarktes für Kohle sollen dargestellt werden.
Vorgehensweise und
Aufbau der Arbeit
Im Grundprinzip ist
dies eine deskriptive Arbeit, die sich mit verschiedenen Aspekten des
physischen Kohlemarktes und des Derivatemarktes auseinandersetzt. Die
Struktur dieser Arbeit besteht aus der Beschreibung des Rohstoffs Kohle,
der physischen Märkte sowie des Kohlepreises über die Frachtraten
bis hin zur Beschreibung des Derivatemarktes. Ein wesentlicher Schwerpunkt
ist die Beschreibung des physischen Kohlemarktes, da Derivatmärkte
eng mit dem physischen Markt verbunden sind. Damit soll die Möglichkeit
gegeben werden, sich zuerst mit dem physischen Markt eingehend auseinanderzusetzen,
um sich anschließend mit dem Derivatemarkt zu beschäftigen.
Aus den Beschreibungen und Analysen werden die Hemmnisse und Entwicklungsmöglichkeiten
abgeleitet.
Der Einstieg in das
Thema erfolgt im zweiten Kapitel über die Kohle als Rohstoff. Dabei
wird auf die Entstehung der Kohle eingegangen, aber auch auf die vorhandenen,
unterschiedlichen Kohlequalitäten und verschiedenen Kohlearten. Abschließend
wird die Rolle der Kohle als fossiler Energieträger beschrieben.
Das dritte Kapitel
beschäftigt sich mit dem Weltmarkt für Kohle. Die Kernelemente
dieses Kapitels werden sowohl die Kohlevorkommen und die Struktur der
Anbieter sein, als auch die Beschreibung der Nachfrager und Verbraucher.
Im Weiteren wird auf den Handel und das Verhältnis von Angebot und
Nachfrage auf dem weltweiten Markt eingegangen.
Der physische Kohlehandel
ist Gegenstand des vierten Kapitels. Hier wird auf die Vertragsgestaltung
im Kohlemarkt, die Rolle der Händler und auf den Kassa- und Terminmarkt
eingegangen.
Im fünften Kapitel
werden die Preisbildung sowie die preisbeeinflussenden Faktoren auf dem
Kohlemarkt dargestellt. Darüber hinaus wird auf die Problematik eines
einheitlichen Kohlepreises eingegangen und es werden einige Kohlepreisindizes
beschrieben. Dieses Kapitel schließt mit einem Vergleich und einer
Analyse verschiedener Kohlepreisindizes.
Da die Frachtraten
Bestandteil des Kohlepreises sind, wird im sechsten Kapitel auf die Besonderheit
der Frachtraten und deren Einflussfaktoren eingegangen. Aber auch der
Zusammenhang der Frachtraten mit dem Kohlepreis wird hier herausgearbeitet.
Da auf dem Derivatemarkt
Preisrisiken abgesichert werden können, wird im siebten Kapitel auf
das Preisrisiko steinkohleverarbeitender Unternehmen eingegangen. In diesem
Kapitel stellt sich primär die Frage, inwiefern ein Preisrisiko vorhanden
ist. Eingangs erfolgt eine Definition des Risikobegriffs und im Hauptteil
dieses Kapitels werden die Preisschwankungen und das Verlustrisiko des
Kohlepreises analysiert.
Das achte Kapitel
beschreibt den Derivatemarkt. Zunächst erfolgt eine grundlegende
Beschreibung des Terminmarktes und seiner Finanzinstrumente. Der zweite
Teil beschäftigt sich mit der Beschreibung des eigentlichen Derivatemarktes
für Kohle. Hier wird auf die Marktteilnehmer, Marktstruktur, Finanzinstrumente,
Handelsplätze usw. eingegangen. Daran anschließend werden die
Hindernisse beschrieben, die aus den vorausgehenden Kapiteln abgeleitet
werden können. Das Kapitel schließt mit einem Abschnitt über
die Entwicklungsmöglichkeiten des Finanzmarktes für Kohle ab.
Hier erfolgt auch eine Einteilung, in welchem Stadium sich die Entwicklung
des finanziellen Kohlemarktes befindet.
In einer kritischen
Stellungnahme werden einige Aspekte angesprochen, die im Rahmen dieser
Arbeit aufgetaucht sind, jedoch nicht weiter beleuchtet wurden.
Die vorliegende Diplomarbeit
erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit in der Beschreibung und
Behandlung des physischen und finanziellen Kohlemarktes. Sie ist vielmehr
eine Zusammenfassung der wichtigsten Gesichtspunkte, die die Märkte
beschreiben und aus denen sich Hemmnisse und Entwicklungsmöglichkeiten
ableiten lassen.
Für die Zeitreihen
der Preise und Preisindizes sowie den darauf basierenden Berechnungen
sei an dieser Stelle auf die beigefügte CD-ROM verwiesen.
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